Markenlose Postsendungen von und nach Skandinavien bis ca. 1870

  • Hallo zusammen,


    nachdem ich keinen passenden thread gefunden habe beginne ich für eine Neuerwerbung aus Essen ein neues Thema. Ich habe es wieder weit gefasst und an den Titel des Buches von Gordon A. Hughmark und Don Halpern angelehnt damit sich unter Umständen auch andere Forumsmitglieder beteiligen können.


    Die von mir heute gezeigte Neuwerbung fiel mir wegen dem Empfängerort Nolde pr. Tondern auf. Nolde ist der Heimatort des Malers Emil Nolde der eigentlich Emil Hansen hiess und später den Künstlernamen Emil Nolde annahm.


    Dieser Portobrief aus dem Jahr 1861 ist allerdings nicht an Bauer Hansen gerichtet sondern stammt von der Fa. H. Gebhardt & Co in London und beinhaltet die Abrechnung einer Lieferung zweier Rinder an einen Herrn Paulsen in Nolde.

    Vorderseitig sehen wir einen Achteck-Stempel "London AU 27 / 61", eine Blaustift 7 (Sgr) und eine Rötel-39. Auf der Rückseite einen Ovalstempel des Hamburger Stadtpostamts " Hamburg 29/8 61", den K2-Stempel des Dän. Postamts "KDPOA Hambrug 29/8 11-12", den dän. Bahnpoststempel "Slesv. P.SP. Bur. I. T2 29/8" und schließlich relativ schwach den blauen Kreisstempel "Tondern 29/8"


    Auch wenn hier keine weiteren Transitstempel vorhanden sind, gehe ich davon aus, dass der Brief via Belgien, Aachen (preuß. Post) nach Hamburg lief und dort der Hamburger Stadtpost übergeben wurde. Denkbar wäre natürlich auch der direkte Weg per Schiff von London nach Hamburg.


    Zum Vergleich ein anderer Brief aus Newcastle via Ostende (Belgien) nach Randers in Dänemark aus dem Jahr 1854. In Newcastle am 3.12.1854 abgeschickt. Rückseitig ein Londoner Transitstempel vom 9.12.1854. Vorderseitig der Leitvermerk "via Ostend" und der engl. Stempel "3 1/2 Groschen" für den englischen Portoanteil. Blaustift 7 (Sgr. = 3 1/2 für die Briten, 1/2 für Belgien und 3 für Preussen).

    Rückseitig der Ovalstempel St. P. A. 12. Dec. 54" sowie der Dän. K2-Stempel "KDPOA Hamburg 13.12.". Vorderseitig ebenfalls eine Rötel-39 für das Gesamtporto, dass der Empfänger zahlen musste. Für die gestrichene Röteltaxe "9 1/2?" habe ich keine Erklärung, evtl. der dänische Portoanteil, dann hätten 1854 7 Sgr. 29 1/2 Sk. dän. RM entsprochen. Hughmark und Halpern zeigen aber einen anderen Brief aus England nach Dänemark aus dem Jahr 1854 und schreiben 7 Sgr. = 30 Sk. dän. RM.


    Beide Male fehlt ein preuss. Transitstempel, die Taxen (7 Sgr. für das Porto bis Hamburg und 39 Sk. dän. RM für das Gesamtporto) sind identisch. Deshalb meine vermutung dass auch der obere Brief den Weg über Belgien nahm.


    Viele Grüße

    DKKW

  • Hallo DKKW,

    es sind alle notwendigen Informationen in deiner Beschreibung richtig vorhanden:
    Auslandsanteil: 7 Sgr = 9 1/2 Schilling = 30 Skilling (wobei ich davon ausgehe , dass der belgische Anteil 1 Sgr. war)
    Dänischer Anteil: 2 Sgr = 9 Skilling


    Schöne Briefe und einen Ort Nolde kannte ich noch nicht ...


    Viele Grüße
    nordlicht

  • Moin nordlicht,


    Karsten Jensen schreibt 3 Sgr. für Preußen und insgesamt 4 Sgr. für Belgien und Großbritannien. David Cornelius erwähnt eine andere Regelung ohne ein Datum zu nennen: 3 1/2 Sgr. für Großbritannien, 1 1/2 Sgr. für Belgien und 3 Sgr. für Preußen, das sind dann aber 8 Sgr und passt nicht zu den Blaustift-7 auf beiden Briefen.


    Nolde liegt knapp jenseits der heutigen Grenz nördlich von Ladelund.


    Viele Grüße

    DKKW

    Einmal editiert, zuletzt von DKKW () aus folgendem Grund: Der Autor des Buches "An Introduction to the Postal History of Denmark 1624 - 1950" heisst natürlich Cornelius und nicht Cornils. Cornils ist Fußballer und stürmt für Weiche Flensburg

  • Hallo zusammen,


    hier ein Brief aus Vejle an den Magistrat der Stadt Riga in Kurland (Russland) aus dem Jahr 1810 der bei mir jede Menge Fragen offen lässt.


    Wir befinden uns in der napoleonischen Zeit, das heisst Hamburg war französisch und deshalb ist der einzige Poststempel auf dem Brief der L1-Stempel "DAN. pr. HAMBOURG. 4. (Franz. Hauptpostamt Hamburg, C28 lt. ARGE-Handbuch) Inwändige Datierung 17.März 1810,


    Ich gehe mal von einem Überland-Transport des Briefes aus, wir befinden uns noch in einer Zeit vor dem Klimawandel, im März hab es sicherlich keinen regelmässigen Schiffsverkehr in die östliche Ostsee wg. Eisgang. Die früheste regelmässige Schiffsverbindung nach Russland stammt meines Wissens aus den 1840er Jahren.


    Der Brief war mit der handschriftlichen Notiz "Franco 16 2/3?" versehen. Dän. Skilling oder Lüb. Schilling? Teilfranko bis Hamburg oder bis Memel? Laut einer Auslandsbrieftaxe aus dem jahr 1812 (also zwei jahre später) war Teilfranco bis Hamburg oder bis Memel möglich, bis Memel 26 Lüb. Sch. Porto. Ich vermute die Portoangabe ist Franco Hamburg in dän. Skilling.

    Über dem in schwarz geschriebenen Porto befindet sich eine Rötel 14 1/3? sowie 4 1/2 ?? Porto wieder in schwarz. Rechts oben eine weitere schwer zu entziffernde Zahl, vermutlich 45. Rückseitig zum einen die dänische Kartennummer 95 sowie eine 7 (könnte die Umrechnung der 16 2/3 in lüb. Sch. sein) Außerdem einen Rötel-33. Vermutungen über Vermutungen, das reinste Ratespiel.


    Im Jahr 1801 hätte das Porto Vejle - Hamburg (35 1/2) Meilen 5 lüb. Sch., Eine Postroutenkarte aus dem Jahr 1807 zeigt 44 Meilen (vermutlich waren die Routen geändert worden), demnach 6 lüb. Sch.. Passt alles irgendwie nicht zusammen. Wenn jemand konstruktiv zur Lösung meiner Fragen beitragen kann, gerne!


    Das gut erhaltene Siegel auf der Rückseite trägt die Inschrift: "SIG. CIVIT. WEILENSIS 1601" Vejle wurde in der damaligen Zeit Weile geschrieben.


    Viele Grüße

    DKKW

  • Hallo zusammen,


    kartenhai Vielen Dank


    Ich glaube, ich kann jetzt die Rötel-33 auf der Rückseite erklären. Im Taxverzeichnis des bergischen Postamts (Vorläufer des kaiserl. franz. Hauptpostamts) aus dem Jahr 1808 wurde für Hamburg-Riga ein Porto in Höhe von 33 lüb. Schilling aufgeführt.


    Viele Grüße

    DKKW

  • Hallo DKKW,

    nochmal zu den vorherigen Briefen aus England nach Dänemark:
    Das Porto von 7 Sgr wurde zwischen Preußen und England geteilt, d.h. 3 1/2 für jeden. Davon wurde jeweils 1/2 an Belgien abgegeben.

    Zu dem raren Brief nach Riga kann ich mangels Unterlagen kaum etwas beitragen. Zu der "45" rechts oben vermute ich, dass es die in Dänemark bezahlten dänischen Skillinge sind, die mit den, in Rötel notierten, umgerechnet "14 1/2" Schilling übereinstimmen.


    Viele Grüße
    nordlicht

  • Moin Nordlicht,


    ok, dass ist jetzt die vierte Version des Portos von England nach Hamburg, dän. Postamt samt dessen Aufteilung auf die einzelnen Postverwaltungen. Ich kenne bislang nur Sekundärliteratur als Quelle, gibt es auch eine Primärquelle?


    Viele Grüße

    DKKW

  • Moin DKKW,

    im Postvertrag zwischen Großbritannien und Preußen von 1852 sind die Gebühren geregelt - bis zur Grenze des Postvereins in Hamburg. Für die Reststrecke galt der Postvertrag zwischen Preußen und Dänemark von 1854.

    Viele Grüße
    nordlicht

  • Moin Nordlicht,


    vielen Dank, dann werde ich mir mal diesen Postvertrag zu Gemüte führenum meine Briefe korrekt anhand einer Primärquelle zu beschreiben.


    Viele Grüße

    DKKW

  • zur Ergänzung:

    der erste Postvertrag zwischen Preußen und Großbritannien wurde zum Jahresbeginn 1847. wirksam.

  • Hallo zusammen,


    inzwischen liegt der Postvertrag aus dem jahr 1852 zwischen dem Vereinigten Königreich und Preußen ausgedruckt vor mir und ich habe ihn mir gründlich durchgelesen.


    Die Belgische Post bekam für den Transit durch Belgien 1/2 Silbergroschen. Die Preußische Post zahlte das Transitporto für sämtliche Sendungen aus dem Vereinigten Königreich nach dem Deutschen Postverein. Das Vereinigte Königreich zahlte das Transitporto für alle Sendungen aus dem Deutschen Postverein in das Vereinigte Königreich. Damit keine Vertragsseite übervorteilt wurde zahlten beide Postverwaltungen der jeweils anderen vierteljährlich die halben Transitporti.


    Demzufolge ist die Beschreibung von Karsten Jensen korrekt, 4 Sgr. für Großbritannien und Belgien (das 1/2 Sgr. erhielt) und 3 Sgr. für Preußen.


    Viele Grüße

    DKKW

  • Hallo zusammen,


    nochmals Großbritannien nach Dänemark. Diesmal aus Liverpool nach Horsens aus dem Jahr 1849. Der Brief ist auf Seidenpapier geschrieben, somit wurde wohl beim doppelseitigen Faltbrief, einer eingelegten Abrechnung über Getraideverkäufe (sic) und dem ebenfalls enthaltenen Marktbericht für Getraide in Liverpool vom 1. Mai 1849 das Gewicht von einem Loth eingehalten.


    Interessant, dass man damals Getraide schrieb.


    Der Brief trägt mehrere Stempel:

    Split-ring Liverpool Paid MY 3 / 1849 L

    Kreisstpl. Paid EU MY 4 1849 (möglicherweise London Euston, der Bahnhof in London der u.a. für die Zugverbindungen nach Liverpool "zuständig" ist)

    K2-Stempel K.D.O.P.A. Hamburg 8.5.

    Kreisstempel A., F. & R. Maxwell (ich dachte zunächst an einen Forwarderstempel, es ist aber der Firmenstempel des Absenders)


    Rückseitig ein völlig unleserlicher roter Stempel, evtl. der Abgangsstempel von London.


    links ein roter Krakel, soll wohl für 10 pence stehen, oben rechts eine rote 4 darüber nochmals eine rote 10 und oben in der Mitte eine rote 2.


    Kurt hansen und Ole Maintz zeigen in ihrem Buch "Skibspost til og fra Danamark in Midten af 1800-tallet" aud Seite 88 einen ähnlichen Brief aus dem jahr 1848 in umgekehrter Richtung. Der breif wurde mit dem "Thames Packet" von London nach Hamburg verschifft. 10 pence Porto, davon 4 pence dänischer Anteil.


    I, Jahr 1846 hätten laut Karsten Jensen 4 pence 15 dän. Skilling entsprochen, die finde ich hier nicht aber ich gehe aufgrund der englischen Paid-Stempel davon aus, dass es sich hier um einen Franco-Brief handelt. Bei der roten 2 muss ich raten, evtl. die Zustellgebühr in Saxkjøbing.


    Ich zeige die Front des Briefes und den Marktbericht in dem der Firmenname des Absenders genannt wird.


    Viele Grüße

    DKKW

  • Hallo zusammen,


    diesmal zeige ich einen Brief aus Christiania (heute Oslo) nach Bordeaux aus der bekannten und sehr umfangreichen Schröder & Schyler Korrespondenz.


    Laut inwändiger Datierung wurde der Brief am 1. April 1825 in Christiania geschrieben. Ich vermute, dass der Brief zumindest teilweise über Land transportiert worden ist. Damals waren die Winter noch rau und Seetransport von Norwegen nach Kopenhagen nur im Sommerhalbjahr möglich. Inwieweit der Landpostweg teurer war als der (teilweise) Seeweg weiß ich nicht.


    Auf dem Brief sind folgende Stempel abgeschlagen:

    rückseitig:

    Ra3-Stempel "K.S. & N.P.C. / HAMBURG / 12. APR.25" des Königl. Schwed. Norwegischen Postamts Hamburg, ARGE Nr. I.1

    Vorderseitig:

    L1-Stempel "T.T.R.4" des Th. & T. Oberpostamts Hamburg, ARGE-Nr. 6

    L1-Stempel "SUEDE" des Th. & T. Oberpostamts Hamburg, ARGE-Nr. 20

    Ra3-Stempel "ALLEMAGNE PAR GIVET", Van der Linden Nr. 73 (evtl. auch Nr. 72, die Abbildungen sind sehr ähnlich)


    Im Buch von Gordon A. Hughmark und Don Halpern "Stampless Mail to and From Scandinavia to 1868" ist ein ähnlicher Brief vom August 1826 auf Seite 39 abgebildet. Der lief allerdings per Seepost via Frederikshavn nach Hamburg.

    Unten links der handschriftliche Vermerk: franco Hamb.

    Mittig mit blauer Tinte das Porto Hamburg-Bordeaux das in Bordeaux erhoben wurde: 48 decimes (sieht aus heutiger Sicht immer aus wie eine 98)

    Oben links zwei parallele blaue Tintenstriche die ich nicht erklären kann, im Buch sehe ich ähnliche Striche auf der Rückseite.

    Auch die rückseitige blaue "19" (oder 12?) kann ich nicht erklären, sie findet sich aber ebenfalls auf der Rückseite des im Buch abgebildeten Briefes, evtl. der Th.&T. zustehende Anteil?

    Oben rechts eine gestrichene "94" eventuell das Winter-Porto von Christiania bis Hamburg. Beim teils per Seepost transportierten Brief im Buch fielen 53 Rigsbank Skilling an. Rechts daneben eine "3" die norw. schwedische Post schrieb angeblich ihre Kartennummern immer rechts oben.


    Wenn ich die gekrakelte Notiz im Brief richtig interpretiere dann kam der Brief am 22. April In Bordeaux an und wurde am 14. Mai beantwortet.


    Viele Grüße

    DKKW

  • Jean Philippe


    ich vermute, dass der Brief zumindest teilweise über Land transportiert worden ist. Damals waren die Winter noch rau und Seetransport von Norwegen nach Kopenhagen nur im Sommerhalbjahr möglich. Inwieweit der Landpostweg teurer war als der (teilweise) Seeweg weiß ich nicht.


    Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du in der Schule so schlecht aufgepasst hast. Leseschwäche wird doch eher heutigen Schülern unterstellt. Es ist von der Strecke Norwegen Kopenhagen die Rede. Givet liegt woanders.


    Viele Grüße

    DKKW

  • DKKW

    Ich weiss wo Givet liegt und hatte es so verstanden, dass von der Strecke Christiania-Bordeaux die Rede war (mit Zwischenstop in Hamburg). Von Oslo nach Kopenhagen muss man fast zwangsläufig zumindest teilweise den Seeweg nutzen.

  • Hallo DKKW,

    der Brief könnte über Schweden gelaufen sein. Ein Indiz ist auch der Stempel "SUEDE" - es sei denn, dass dieser üblicherweise auch auf Briefen aus Norwegen zu finden ist.
    Das Porto betrug 38 Decimes. Links oben steht häufig das Gewicht. "11" Gramm entspricht der 4.Gewichtsstufe, also 2-faches Porto. Einfaches Porto Hamburg-Bordeaux war 19 Decimes. Passt also!

    Viele Grüße
    nordlicht